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Ist das Klimapaket ein Klimapäckchen?
In den letzten sechs Wochen haben viele Umweltverbände die Klimabeschlüsse der großen Koalition geradezu in der Luft zerrissen. Auch bei einem erheblichen Teil der Bürger und selbst Teilen der großen Koalition war enorme Unzufriedenheit zu spüren. Das Klimapaket sei gescheitert, die Maßnahmen seien lächerlich und man könne wohl eher von einem Klimapäckchen sprechen. Ist diese Kritik berechtigt oder übertrieben?
Wir finden die Kritik am Klimapaket durchaus angebracht, sind aber auch der Meinung, dass es nichts bringt, über einzelne Politiker herzuziehen oder diese zu beschimpfen. Viele selbsternannte Umweltschützer sind in der letzten Zeit in den sozialen Medien mit Beleidigungen oder Aussagen, die weit unter die Gürtellinie gingen, negativ aufgefallen. Solche Aktionen sind natürlich nicht besonders konstruktiv. Allem Anschein nach fehlt es immer noch an guter Aufklärung - wir versuchen unseren Teil dazu beizutragen.
Was steht denn jetzt eigentlich drin im Klimapaket?
Das Klimapaket enthält mehr als 70 Einzelmaßnahmen. Große Bausteine sind neben der geplanten CO2-Bepreisung auch der Ausbau der steuerlichen Förderung für energieeffiziente Gebäudesanierung, der Ausbau von Ökostrom und Elektromobilität sowie ein künftiges Verbot von Ölheizungen. Daneben gibt es eine Vielzahl an weiteren Maßnahmen, die sich ein bisschen wie ein Flickenteppich aus allen möglichen verschiedenen Bereichen zusammensetzen.
Etwa soll es im Gegenzug zu den teuren Spritpreisen eine Anhebung der Entfernungspauschale für Fernpendler geben. Vom 21. Kilometer an soll es künftig 35 Cent statt 30 Cent pro Kilometer geben. Gleichzeitig sollen mit dem Klimapaket Bahntickets günstiger und Flugtickets teurer werden, um Anreize zu schaffen, die mehr Menschen dazu motivieren, vom Auto auf die Bahn umzusteigen. Außerdem sollen der öffentliche Nahverkehr, Radwege und der Schienenverkehr ausgebaut, die Strompreise gesenkt, sowie die Förderung für energieeffizientes Sanieren erhöht werden.
Aber wer soll das alles bezahlen? Bezogen auf die Strompreise plant die Bundesregierung, bisher staatlich regulierte Preisbestandteile wie die EEG-Umlage nach und nach durch die Einnahmen der CO2-Bepreisung zu ersetzen. Hier wird bereits im Ansatz deutlich, wie wichtig das Instrument des CO2-Preises ist. Im Klimapaket wird das leider nicht so ganz deutlich. Eher macht es ein bisschen den Eindruck, als solle die Unmenge an Einzelmaßnahmen vom eigentlichen Problem ablenken: Wir brauchen endlich einen wirksam hohen CO2-Preis! Natürlich kann dieser allein nicht die Lösung sein, aber er sollte die Hauptrolle spielen und über allen anderen Instrumenten stehen.
Was steckt hinter dem CO2-Preis?
Um unsere Klimaschutzziele für 2030 auch nur annähernd zu erreichen, ist eine CO2-Bepreisung unumgänglich, da sind sich die Experten aus der Wissenschaft einig. Aber nicht irgendeine Bepreisung. Der CO2-Preis muss hoch genug sein, um eine sogenannte Lenkungswirkung zu erzielen. Mit einfacheren Worten heißt das: Erst wenn wir alle etwas im Geldbeutel spüren, besteht die Chance auf ein Umdenken.
Der CO2-Preis übersetzt quasi Klimaschädlichkeit für alle in Geld. Ist dieser zu gering, verliert er als Maßnahme seine Wirkung. Der im Klimapaket vorgeschlagene CO2-Preis von 10 Euro pro Tonne ist viel zu niedrig angesetzt. Er würde an der Tankstelle lediglich einer Preissteigerung von 3 Cent mehr pro Liter Benzin entsprechen. Dieser geringe Betrag wird nicht dafür sorgen, dass mehr Menschen ihr Auto stehen lassen. So funktioniert kein Klimaschutz! Laut Empfehlung der Wissenschaft wäre ein CO2-Preis von 50 Euro im Jahr 2020 nötig, um den Klimawandel einzudämmen. 2025 müsste er bei 75 Euro und 2030 bereits bei 130 Euro pro Tonne CO2 liegen. Eine wirksam hohe CO2-Bepreisung würde dazu führen, dass sich der CO2-Gehalt in den jeweiligen Preisen widerspiegelt.
Häufig wissen wir gar nicht, wie viel CO2 für die Herstellung der einzelnen Produkte ausgestoßen wird. Mal ganz abgesehen von dem Rattenschwanz, der an einem Produkt hängt, wie etwa Lagerung und Transport. Produkte, bei deren Herstellung viel CO2 ausgestoßen wurde, würden teurer sein als CO2-arme Produkte. So könnten sowohl wir als Konsumenten als auch Banken und Unternehmen durch ein CO2-freundliches (Kauf-)Verhalten Geld sparen. Und das scheint leider das Einzige zu sein, was die Mehrheit der Menschen wirklich zu klimafreundlichem Verhalten motiviert.
CO2-Steuer, Emissionshandel oder beides?
Nun gibt es zwei Optionen, so etwas umzusetzen. Eine Möglichkeit ist es, eine CO2-Steuer einzuführen. Hierbei wird kein CO2-Budget festgelegt, sondern ein CO2-Preis pro Tonne. So soll ein Universalanreiz für energiesparendes Verhalten entstehen. Eine solche Abgabe würde allerdings Niedrigverdiener härter treffen und muss daher sozial gerecht gestaltet werden, etwa durch eine zusätzliche Klimaprämie.
Die andere Möglichkeit ist, einen Emissionshandel zu schaffen, indem eine gewisse Menge CO2 festgelegt wird, die in einem Jahr nicht überschritten werden darf. Alle Unternehmen, die CO2 ausstoßen, müssen Ausstoßungsrechte in Form von sogenannten Zertifikaten erwerben. Mit diesen Zertifikaten kann dann untereinander gehandelt werden. Das bedeutet, wenn ein Unternehmen weniger CO2 ausstößt als es Zertifikate erworben hat, kann es diese wieder verkaufen, und umgekehrt müssen Unternehmen, die mehr CO2 ausstoßen als sie Zertifikate erworben haben, zukaufen. Angebot und Nachfrage ergeben so den Preis. Mit zunehmenden Emissionseinsparungen würde der CO2-Preis immer höher steigen und somit auch die Anreize, noch mehr Emissionen zu sparen.
Beide Varianten wirken im Prinzip ähnlich, bei beiden müssen die Konsumenten letzten Endes bezahlen. Klimaschutz gibt es nun mal nicht umsonst. Erstaunlicherweise wird es in den Medien häufig so dargestellt, als wäre entweder der Emissionshandel oder die CO2-Steuer die Lösung des Problems. Wissenschaftler sind sich aber auch in diesem Punkt einig. Beides muss passieren. Langfristig sollte ein länderübergreifender Emissionshandel entstehen, aber kurzfristig wird die CO2-Steuer nicht zu umgehen sein.
Energieeffiziente Gebäudesanierung - was hat sich geändert?
Energieeffiziente Gebäudesanierung Aktuell entfallen 14 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland auf den Gebäudesektor, das entspricht circa 120 Mio. Tonnen CO2 jährlich. In 2030 dürfen noch maximal 72 Mio. Tonnen CO2 emittiert werden. Das bedeutet, wir müssen über die Hälfte unser bisherigen Emissionen bis dahin einsparen. Wie realistisch ist das? Mit dem jetzigen Klimapaket nicht wirklich wahrscheinlich! Zwar wurde mit dem Klimapaket die Förderung für energetische Gebäudesanierung vereinfacht bzw. erweitert, allerdings werden die energetischen Standards bis 2023 nicht erhöht.
Dennoch gibt es ab dem Jahr 2020 eine steuerliche Förderung für das energieeffiziente Sanieren von selbstgenutztem Eigentum von bis zu 20 Prozent. Gefördert werden Einzelmaßnahmen, die zur Verbesserung der Energieeffizienz beitragen, etwa durch die Dämmung der Außenhülle. Eine andere Möglichkeit ist der Austausch einer alten Heizung mit einer neuen Heizung, die erneuerbare Energien nutzt, zum Beispiel eine Wärmepumpenheizung. Bis zu 40.000 Euro Gesamtförderung können auf diesem Weg von der Steuerschuld abgezogen werden. Hierfür muss das Gebäude älter als zehn Jahre sein und die steuerliche Förderung ist nicht kombinierbar mit den bestehenden Förderprogrammen der KfW. Sie ist mehr als Alternative für einzelne Sanierungsmaßnahmen anzusehen, während die KfW weiter auf Gesamtsanierungen abzielt.
Der Ansatz ist da und richtig, aber auch hier wieder nur Peanuts. Laut Aussage der Wohnungswirtschaft Deutschland GdW würden allein für Wohngebäude mindestens 14 Milliarden Euro jährlich benötigt, um die Klimaziele zu erreichen. Allein an Fördermitteln brauche es 6 Milliarden Euro pro Jahr, um Wohnraum energetisch so zu sanieren, dass es sich für die Eigentümer rechnet. Dazu sei die steuerliche Förderung nicht ausreichend und solle durch ausreichend hohe Investitionszuschüsse erweitert werden. Die Herausforderung hierbei wird es sein, sanierten Wohnraum auch für sozial schwächere Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen. Damit das funktioniert, müssen unter anderem die Sektoren Gebäude, Strom und Wärme noch stärker miteinander verbunden werden (Stichwort Sektorkopplung, ein Beispiel dafür finden Sie in unserem Artikel "Wo bleibt die Wärmewende und warum dauert das so lang?").
Ein weiteres Problem ist laut GdW, dass die steuerliche Abschreibung nicht alle Gebäudetypen mit einbezieht, etwa Wirtschaftsimmobilien. Für große Unternehmen gibt es derzeit immer noch keine ausreichenden finanziellen Anreize, ihre Gebäude energetisch zu sanieren. Die Chance, steuerliche Anreize für den gesamten Gebäudesektor zu schaffen, hat die Bundesregierung mit diesem Klimapaket vertan.
Fazit - Mit der Natur lässt sich nicht verhandeln
Abschließend kommen wir zu dem Schluss, dass die harsche Kritik am Klimapaket und der Ärger vieler Menschen mehr als berechtigt sind, wenn man sich mit den Inhalten einmal sorgfältig auseinandersetzt und diese dem Rat der Klimaforscher gegenüber stellt. Der Plan, den die Bundesregierung mit dem aktuellen Klimapaket verfolgt, ist wirklich weit entfernt von dem, was die Wissenschaftler sagen.
Wieder einmal wird ein Problem aufgeschoben, das wir schon lange nicht mehr aufschieben können. Es sind gute Ansätze vorhanden, aber sie gehen alle nicht weit genug. Schon jetzt ist klar, dass wir die Ziele für 2030 nicht erreichen werden, aber es scheint, als traue sich die Politik nicht, die Empfehlungen der Klimaforscher ordnungsrechtlich umzusetzen. Also weiter alles freiwillig? Das hat bisher nicht funktioniert und wird es auch in Zukunft nicht. Echter Klimaschutz kostet Geld und das muss irgendwo herkommen. Also müssen Gesetze her, die CO2-sparendes Verhalten finanziell belohnen und klimaunfreundliches Verhalten finanziell bestrafen. Nur so scheint es in einer kapitalistischen Gesellschaft zu funktionieren.
So oder so wird es erneute Klimaverhandlungen geben und dieses Klimapaket wird nicht das letzte sein. Was wir alle aber viel zu oft vergessen, ist: ,,Mit der Natur lässt sich nicht verhandeln.“ (Harald Lesch).